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Verkehrsrecht (1) – Benutzungspflicht von Radwegen et al.

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Zeichen 237

Die Benutzungspflicht von Radwegen ist nicht nur für die Rennradfahrer eher lästig. Alle Wege, die mit den Radwegzeichen gekennzeichnet sind, müssen von Radfahrern benutzt werden. Allerdings sind sie nicht selten in einem Zustand, der auch die Nutzung mit einem vollgefederten Mountainbike nicht gerade zum Vergnügen macht. Wie steht es also mit der Benutzungspflicht? Gibt es Ausnahmen? Was kann der Radfahrer tun?

Die Radwegenutzung

Betrachten wir zuerst einmal die Rechtslage in der Darstellung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI):

Hinsichtlich der Radwegenutzung bestehen bei vielen Verkehrsteilnehmern Unsicherheiten. Seit dem Neuerlass der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) im Jahr 2013 bestehen folgende Regelungen:

  • Die Benutzungspflicht eines Radweges wird mit entsprechenden Verkehrszeichen (237, 240 oder 241 der StVO; weißes Fahrrad auf blauem Grund) angeordnet. In diesen Fällen ist der Radweg zu benutzen; das Fahren auf der Fahrbahn ist nicht zulässig.
  • Besteht eine solche Anordnung durch Verkehrszeichen nicht, ist es Radfahrern freigestellt, den Radweg oder die Fahrbahn zu benutzen.
  • Radfahrer haben auf gemeinsamen Geh- und Radwegen (angeordnet durch Zeichen 240) ihre Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr anzupassen.
  • Ist auf einem mit Verkehrszeichen 239 beschilderten Gehweg durch Zusatz „Radfahrer frei“ das Radfahren erlaubt, ist dies nur mit Schrittgeschwindigkeit zulässig. Fußgänger haben Vorrang vor dem Radverkehr.
  • Nur wenn ein nach StVO benutzungspflichtig angeordneter Radweg objektiv nicht nutzbar ist, z.B. durch geparkte Autos, Müllcontainer o.a., ist ein Ausweichen auf die Fahrbahn zulässig. Das Ausweichen von Radfahrern auf Gehwege (Bürgersteige) ist grundsätzlich nicht zulässig.
  • Ausnahmen: Kinder bis zum vollendeten 8. Lebensjahr haben Gehwege zu nutzen, bis zum vollendeten 10. Lebensjahr dürfen sie es.
  • Auf der Fahrbahn mit unterbrochenen Leitlinien markierte Schutzstreifen für den Radverkehr sind keine Radwege. Sie sind ein Rückzugsraum für den Radverkehr. Radfahrer haben den Schutzstreifen wegen des Rechtsfahrgebotes zu benutzen. Sie dürfen auf den angrenzenden Fahrstreifen ausweichen, wenn der Schutzstreifen z.B. durch ein parkendes Fahrzeug versperrt ist.
  • Radfahrstreifen, die durch Verkehrszeichen 237 auf der Fahrbahn mit durchgezogenem Breitstrich angeordnet werden, sind ebenfalls benutzungspflichtig. Sie dienen als Ersatz für benutzungspflichtige, baulich gesondert angeordnete Radwege.
  • Das Befahren von Radwegen in entgegen gesetzter Richtung verursacht ein hohes Unfallrisiko und Gefahrenpotential. Linksseitige Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 dürfen nur benutzt werden, wenn dies durch das allein stehende Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ erlaubt ist. Das entsprechende Zeichen muss in Fahrtrichtung sichtbar sein.

Soweit also die “nackte” Rechtslage.

Ein Blick auf die Straßenverkehrsordnung (STVO) selbst stößt zum Thema Verkehrseinrichtungen auf interessante Vorschriften, die in vielen Verwaltungen und vor allem von motorisierten Verkehrsteilnehmern offensichtlich fröhlich ignoriert werden. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO), wollen wir hier nicht zusätzlich heranziehen, um die Ausführungen nicht unnötig aufzublähen. Trotzdem lohnt es sich, auch da mal einen Blick rein zu werfen.

Einrichtung von Radwegen, Fahrräder auf der Straße

§45 Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen
(9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Abgesehen von der Anordnung von Schutzstreifen für den Radverkehr (Zeichen 340) oder von Fahrradstraßen (Zeichen 244.1) oder von Tempo 30-Zonen nach Absatz 1c oder Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen nach Absatz 1d dürfen insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. ….

Der aufmerksame Leser stellt fest, dass Radwege also nur angeordnet werden dürfen, wo “auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt“. Wenn ich das mit meiner täglichen Beobachtung korreliere, stelle ich fest, dass es die meisten Radwege nach dieser Regel gar nicht geben dürfte. Es ist an vielen Stellen, wo ein Radweg angeordnet ist, objektiv nicht gefährlich, die Straße zu benutzen. Und nun kommt die Krux des Ganzen. Auch wenn die Anordnung eines Radwegs eigentlich nicht zulässig ist, bleibt er trotzdem benutzungspflichtig. Und das ist ärgerlich.

§2 Straßenbenutzung durch Fahrzeuge
(4) Mit Fahrrädern muss einzeln hintereinander gefahren werden; nebeneinander darf nur gefahren werden, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird. Eine Pflicht, Radwege in der jeweiligen Fahrtrichtung zu benutzen, besteht nur, wenn dies durch Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet ist. Rechte Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 dürfen benutzt werden. Linke Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 dürfen nur benutzt werden, wenn dies durch das allein stehende Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ angezeigt ist. Wer mit dem Rad fährt, darf ferner rechte Seitenstreifen benutzen, wenn keine Radwege vorhanden sind und zu Fuß Gehende nicht behindert werden. Außerhalb geschlossener Ortschaften darf man mit Mofas Radwege benutzen.

Interessant, dass nach §2 also Radfahrer durchaus nebeneinander fahren dürfen, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird. Betrachten wir zusätzlich den §5, dann wird es interessant.

§5 Überholen
(4) Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu den zu Fuß Gehenden und zu den Rad Fahrenden, eingehalten werden. Wer überholt, muss sich so bald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.

Und wenn wir nun berücksichtigen, dass nur überholt werden darf, wenn ausreichender Seitenabstand gehalten wird, folgt daraus unmittelbar, dass ein Überholvorgang auf einer normal breiten Straße nicht durchführbar ist, ohne die Gegenspur in Anspruch zu nehmen. Wenn  man das einmal akzeptiert hat, ist vollkommen klar, dass das nebeneinander Fahren für Autofahrer beim Überholen zwar lästig ist, aber keine echte Behinderung darstellt. Zum Überholen muss das Auto ja ohnehin auf die Gegenspur. Und wie weit er dann rüber muss, ist nur noch ein gradueller Unterschied. Er muss so oder so warten, bis der Gegenverkehr vorbei ist.

Ich gebe allerdings keine Garantie, dass im Streitfall ein Verkehrsgericht die meiner Meinung nach zulässige Interpretation der STVO auch wirklich teilt.

Die Konsequenzen

Was folgern wir nun aus diesen wenigen Paragraphen der Straßenverkehrsordnung für den Radverkehr? Zum einen stellen wir fest, dass Radfahrer im Straßenverkehr mehr und andere Rechte haben, als ihnen und motorisierten Verkehrsteilnehmer üblicher Weise bewusst ist. Würdigt man die Regelungen des §45, Absatz 9 der STVO, stellt man fest, dass bei vielen Radwegen, die benutzungspflichtig ausgeschildert sind, die Benutzungspflicht einer Überprüfung nicht ernsthaft Stand halten würde. Hier bleibt zu überlegen, ob man nicht in diesen Fällen bei den zuständigen Behörden vorstellig wird und auf eine Umwidmung des entsprechenden Radwegs drängt. Wer die nötigen Nerven hat, setzt das ggf. mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht durch.

Genauso ist zu überlegen, ob man bei massiver Behinderung oder Gefährdung durch andere Verkehrsteilnehmer doch das eine oder andere Mal zum nächsten Polizei Revier fährt und den Fall zu Anzeige bringt. Das setzt natürlich voraus, dass man sich selbst regelkonform verhalten hat Image may be NSFW.
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Meine persönliche “Rangfolge” bei der Beschilderung

Die folgende Rangfolge ist sehr subjektiv und nicht zufällig etwas provokant Image may be NSFW.
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Beschilderung meine subjektive Meinung
  • für mich wie Pest und Cholera
  • man darf nur Schritttempo fahren
  • es ist nicht wirklich klar, wo sich Fußgänger und Radfahrer jeweils bewegen werden
  • ich glaube, Fußgänger haben da auch keinen Spaß
  • auch nicht viel besser, funktioniert aber immerhin, wenn sich Radfahrer und Fußgänger diszipliniert verhalten
  • leidet zu häufig unter mangelnden Trennlinien und überrascht immer wieder mit Schildern mitten auf dem Weg

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Zeichen 1022-10

mein absoluter Favorit:
  • wer will, kann ohne Regelverstoß auf der Straße fahren
  • wer sich auf der Straße nicht sicher genug fühlt, fährt auf dem Fußweg und hat da in der Regel auch kein Problem, die nötige Rücksicht gegenüber Fußgängern walten zu lassen
  • wenn ihn das nervt, muss er auf die Straße!
auch ok, wenn:
  • der Radweg wirklich befahrbar ist
  • nicht alle 500 m die Straßenseite wechselt
  • der Radweg nicht ständig zugeparkt ist
  • nicht an jeder Kreuzung verschwenkt und einem damit, in der Regel unnötig, die Vorfahrt nimmt

Ausblick

In einem zweiten Teil unserer Betrachtungen zum Thema Verkehrsrecht werden wir uns des Themas Radstreifen bzw. Radschutzstreifen annehmen. Das wird dann etwas kürzer. Der dritte Teil wird sich dann mit den Ausnahmen auseinander setzen. Dazu werden wir ein paar interessante Urteile heraussuchen, die darlegen, wie die Rechtslage von deutschen Verkehrsgerichten interpretiert wird.

© der Abbildungen by pixabay, Deutscher Verkehrssicherheitsrat (DVR) und BMVI

Der Beitrag Verkehrsrecht (1) – Benutzungspflicht von Radwegen et al. erschien zuerst auf Rund ums Rad | Tested on Trail.


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